Gedanken zu TFP

Geschrieben von Manuel Faessler
Hallo Zusammen,

wie im letzen Blog-Post schon angekündigt, möchte ich heute ein paar Zeilen zum Thema „TFP" schreiben. Speziell zur Zeit wird dieses Thema wieder einmal „heiß" diskutiert, mit vielen verschiedenen Ansichten und Meinungen sowohl von Model- als auch von Fotografenseite (und teilweise sogar schon von Agenturen).
Das geht von sachlichen Argumenten bis hin zu persönlichen Angriffen (auch schon gegen mich ...), weshalb ich jetzt einmal meine Sicht auf diese Dinge sachlich darstellen möchte.

Definition

Ich versuche mal gleich den Begriff kurz zu definieren, bei Wikipedia steht zum Beispiel zu lesen:

Die Bezeichnung TFP („time for prints" oder auch „time for pictures") steht in der Fotografie für eine Vereinbarung zwischen einem Fotomodell und einem Fotografen, bei der das Modell nicht mit einer Gage, sondern mit den Resultaten der Fotoaufnahmen für seine Dienste entlohnt wird.

Ganz einfach formuliert heißt das: keiner Seite entstehen Kosten (bzw. Alle tragen ihre Kosten selbst) und alle Beteiligten bekommen die beim Shooting entstandenen Bilder und können sie gleichermaßen verwenden.

In meinen Augen kann das Ganze also nur funktionieren, wenn alle Beteiligten (auch aus ihrer Sicht) für ihren Einsatz entsprechenden Nutzen ziehen können. Dieser Nutzen kann vielfältig sein, von Aufmerksamkeit für die eigene Page, über gute Bilder für eine Model-Mappe, „Erfahrung sammeln" bis hin zu Spass haben oder mit der jeweiligen Person einmal arbeiten zu wollen.

Aufwände

Ich möchte jetzt mal die Aufwände etwas auflisten, die einander gegenüberstehen. Ich werde es dabei bei den zeitlichen Aufwänden belassen, da jeder (sei es jetzt Fotograf, Model, Visa, Stylist, etc.) seine Ausrüstung hat, die er natürlich kaufen muss, und die einem gewissen Verschleiß bzw. Wertverlust unterliegt. Beginnt man damit, diese Seite auch noch zu beleuchten, werden immer wieder lustige bis absurde Aufstellungen (z.B. hat mir ein Model einmal erzählt, ihre Tattoos sollten auch in die Aufstellung einbezogen werden, da sie für ihren Job wichtig wären ...) präsentiert, weshalb ich das hier bleiben lasse.

Model
Nehmen wir einmal eine Shootingdauer von 3h an, so fallen für das Model noch zusätzlich die Fahrzeit und ein evtl. Styling (wenn keine Visa mit von der Partie ist) an. Machen wir es etwas extrem und nehmen 2h Fahrzeit sowie 2h fürs Styling, vielleicht auch noch 1h für die Kommunikation mit dem Fotografen (Styling/Outfit abklären) so landen wir am Schluss bei 7-8h, was für ein normales Shootings sicherlich realistisch ist.

Visa
Bei der gleichen Shootingdauer (ja, bei mir ist die Visa am Set, bis das Shooting beendet ist) und einer Stylingzeit von 2h fallen natürlich auch bei der Visa Fahrzeiten an. Zusätzlich kommt aber sicherlich noch eine gewisse Vorbereitung dazu (das Styling will ja überlegt bzw. mit dem Fotografen zusammen erarbeitet werden) und eine Nachbereitung (z.B. Reinigen der Ausrüstung) was zusammengenommen schnell mal 3-4h zusätzlich in Anspruch nehmen kann. Somit wären wir dann bei ca. 10-11h

Fotograf
Mit derselben Shootingdauer und derselben Stylingzeit, die ich fürs Vorbereiten des Studios verwende, bzw. auch gerne der Visa über die Schulter schaue, fallen natürlich auch beim Fotografen Fahrzeiten an und auch das Entwickeln einer Shootingidee bzw. des Stylings (evtl. zusammen mit der Visa). Nehmen wir an, bis zum Ende des Shootings hat der Fotograf in etwa dieselbe Zeit investiert wie das Model, also ca. 7-8h. Mit dem Ende des Shootings fängt aber die große Arbeit für den Fotografen erst an. Bei einem 3 stündigen Shooting mache ich gut und gern mal 200-300 Bilder, die dann aussortiert und bewertet werden wollen. Je nach Art des Shootings und der gewünschten Qualität der Ausarbeitung können anschließend sicherlich 1-4h (in Extremfällen noch mehr) Zeit für die Bearbeitung gerechnet werden – PRO BILD!!!

Mit dieser Aufstellung möchte ich jetzt niemandem auf den Schlips treten, und wenn jemand eine andere Sicht auf das Thema hat, lade ich ihn/sie gerne dazu ein, diese Sicht als Kommentar unter diesen Beitrag zu posten.

Nutzen

Nehmen wir einmal an, es besteht kein „Unverhältnis", d.h. alle Beteiligten sind in etwa gleich bekannt, haben ihn ihrem Feld das selbe Wissen/Können, und niemand muss ungleich mehr zum Shooting beitragen als die Anderen, so haben Alle in etwas den selben Nutzen daraus – die fertigen Bilder, bzw. die (meist nichtkommerziellen) Veröffentlichungsrechte daran.

Für mich kann dieser Nutzen viele verschiedene Formen annehmen ... sei es, dass ich neue Models/Visas/... kennen lerne, eine Idee umsetzen kann, von der Bekanntheit eines Beteiligten profitiere, an einem kreativen Projekt beteiligt bin, mit neuen Techniken experimentieren kann, ... es gibt viele Gründe für mich so einen Deal einzugehen ... ;-)

Meine Sicht

Nachdem ich jetzt die groben Rahmenbedingungen (aus meiner Sicht – mit dem Versuch, das so neutral wie möglich zu machen) umrissen habe, möchte ich noch mein Statement dazu abgeben.

Obwohl die zeitliche Aufstellung meist sehr zu Ungunsten des Fotografen aussieht, arbeite ich häufig und gerne auf TFP-Basis. Dies gleich aus mehreren Gründen, aber auch nur wenn gewisse Voraussetzungen passen. Für mich ist TFP zum Beispiel eine super Sache um mit neuen Leuten zusammenzuarbeiten und sie kennen zu lernen. Dies vielfach auch als Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit auf Pay-Basis, da ich speziell bei Kundenauftragen oder „heiklen" Shootings ungern mit Leuten zusammenarbeite, die ich nicht kenne und von denen ich nicht weiß wie sie „ticken".

Gerne arbeite ich auch bei Projekten auf TFP-Basis, bei denen ich neue Sachen (Ausrüstung, Lichtsetups, ...) testen möchte, oder auch eine Shootingidee habe, die sich locker umsetzen lässt ... wo es auch nicht weiter schlimm ist, wenn etwas mal nicht so klappen sollte, wie geplant. Ich habe auch überhaupt kein Problem, wenn jemand (sei es Model, Visa, oder sonst jemand) mit dem Wunsch auf ein TFP-Shooting zu mir kommt, im Gegenteil: Gefällt mir Idee, die Leute, ... mache ich das sehr gerne!!!

Die größte Freude habe ich jedoch bei TFP-Projekten, bei denen es um etwas Besonderes geht ... um kreative Projekte (egal, von wem es ausgeht), wo alle ihre Energie rein stecken um etwas Spezielles, Geniales zu schaffen ... bei solchen Projekten investiere ich auch gerne mehr Zeit, mehr Geld, mehr Alles ... denn genau das ist es, was mir am Fotografieren so Spass macht.

Es gibt aber natürlich auch Shootings, bei denen ich TFP von vornherein ausschließe. Ich lehne zum Beispiel TFP ab, wenn es nur darum geht, typische Sedcard-Bilder zu schießen, also Standard Licht, Standard-Pose, meist Anfänger-Model das auch noch Anleitung braucht, ... also für mich aus Fotografensicht viel Arbeit, wenig Nutzen. Vor kurzem habe ich auch eine Anfrage abgelehnt, bei der es darum ging ein Dessous-Shooting auf TFP-Basis zu machen ... nur hätte ich die Fotos nicht veröffentlichen dürfen, da zu intim und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ... Auf meine Nachfrage hin, was denn mein Nutzen bei der Sache wäre, wurde mir gesagt, ich dürfe dafür das Model in Dessous shooten ... ;-)

Womit ich ein wirkliches Problem habe, ist wenn eine Model-Agentur mitnaschen möchte ... quasi sich vertraglich dieselben Rechte an den Bildern sichern möchte, die auch das Model bekommt, und bei einer Veröffentlichung sogar noch am liebsten namentlich genannt werden möchte (wirklich vorgekommen!!). Ich sehe einfach nicht ein, weswegen jemand der nichts zum Shooting beiträgt, daraus einen Nutzen ziehen sollte ...

Ich denke, meine Sicht auf die Dinge ist klar: Wenn alle Beteiligten zufrieden mit ihrem jeweiligen Verhältnis von Einsatz und Nutzen sind, ist TFP eine super Sache ... sobald ein Ungleichgewicht vorhanden ist, muss dieses durch eine (monetäre) Gegenleistung ausgeglichen werden. Mir ist es einfach wichtig, dass am Schluss alle zufrieden sind und sich keiner benachteiligt fühlt.

So, jetzt habe ich aber wirklich genug geschrieben ... es würde mich sehr freuen, wenn ihr euch hier zu Wort melden würdet und eure Sicht der Dinge schildert. Obwohl ich versucht habe, möglichst neutral zu schreiben, ist es sicherlich sehr aus der Sicht des Fotografen (wie könnte ich eine andere Sicht haben?) ... mich (und ich denke auch viele Andere) würde sehr interessieren, wie das Thema aus anderen Sichtwinkeln aussieht ...

Falls ihr noch weitere Fragen zu dem Thema habt, könnt ihr mich gerne kontaktieren, entweder unter diesem Beitrag als Kommentar, per e-mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder über Facebook. Ich werde mein Bestes geben, euch die Fragen so gut wie möglich zu beantworten.

Wenn ihr meine Themenauswahl für zukünftige Posts beeinflussen wollt, schreibt mir doch bitte, welche Themen euch interessieren würden, bzw. welche Fragen ihr von mir gerne beantwortet hättet.

Und wie immer: wenn es euch gefällt (oder auch nicht), lasst es mich wissen, verbreitet den Beitrag, drückt „gefällt mir", usw. Ich freue mich über jedes Feedback!!!

Cheers,
Manuel

Kommentare

Walter Tscharke 2015-03-03 16:31
Du schreibst mir in Deinem Artikel voll aus der Seele.
Was mich die letzte Zeit besonders ärgert, das die Models zur Aktualisierung Ihrer Setcard nur auf TFP shooten. Sollte aber der Fotograf das gleiche Model anschreiben geht das nur noch auf Pay Basis.
Hier ist meiner Meinung nach erheblicher Handlungsbedarf.

Liebe Grüße
Walter
Antworten
Manuel_MFP 2015-03-05 05:49
Hallo Walter,

vielen Dank für deine Rückmeldung!

Die "Geiz ist geil"-Mentalitä t zieht sich eben immer weiter durch ... ich denke, das regelt der Markt schon alleine ... auch wenn es eine Zeit lang zäh für uns Fotografen ist. Ich denke, wenn die Models einen gewissen Grad an Professionalitä t erreicht haben, sind sie (bzw. deren Agentur) dann auch bereit Geld in die Sedcard zu investieren ... die Newcomer wollen das eben so billig (gratis) wie möglich machen ... und sehen auch den Qualitätsunters chied nicht ... sad but true!

So haben eben auch Anfängerfotogra fen bzw. auch "schlechte" Fotografen ihre Chance ... und die Models dann auch vielfach Bilder, die eher keine Werbung für sie sind ... dafür waren sie gratis ... ;-)

Liebe Grüsse,
Manuel
Antworten
Michael Lindner 2014-12-16 22:26
Das traurige ist ja, dass dein "TFP-Dessous-Mo del" - welchem Du das Shooting verwehrt hast - sicher bei vielen anderen Leuten offene Türen einrennt... :D

MfG, Michael
Antworten
Manuel_MFP 2014-12-17 05:16
Hallo Michael,

finde ich eigentlich nicht traurig ... wenn sie einen Fotografen findet, der das macht und beide damit zufrieden sind, soll es passen ... ich sehe eher die Gefahr, dass sie mit dieser Art Anfrage eher zweifelhafte "Tittenknipser" anzieht ... ob sie das dann will, ist eine andere Frage ... ;-)

Schöne Grüsse,
Manuel
Antworten
chrisrocktphoto 2014-12-12 10:38
Wirklich gut beschrieben. Es nimmt speziell in letzter Zeit zu, dass immer mehr "Models" auf TFP Basis geshootet werden wollen (was ja - wie du schreibst legetim ist) nur wird es schön langsam irgendwie unverschämt - vor allem die Forderungen. Ich denke viele wissen einfach auch nicht wie viel Nachbearbeitung dahinter steckt. Viele glauben ja einfach wie veim iPhone einfach ein Filter drüber und gut ist...
LG
Chris
Antworten
Manuel_MFP 2014-12-12 11:12
Hi Chris,
Vielen Dank für deine Rückmeldung ... jep, es wird immer mehr, und vor allem nimmt es komische "Richtungen" an ... wie auch im Beitrag geschrieben: wenn für mich der Nutzen passt, mache ich es ... sonst nicht ... ;-)
LG,
Manuel
Antworten
Roland Marte 2014-12-03 03:07
Sehr gut beschrieben.
Das musste mal gesagt und das Thema aus verschiedenen Blickwinkel betrachtet werden.

Gruß
Roland
Antworten
Manuel_MFP 2014-12-03 04:51
Vielen Dank Roland, freut mich dass dir der Artikel gefällt ... ist kein einfaches Thema, und wie ich gestern während einer Diskussion herausgefunden haben, sollte ich noch auf 1-2 Sachen zusätzlich eingehen ... ;-)

Schöne Grüsse,
Manuel
Antworten

Kommentar schreiben

Sicherheitscode
Aktualisieren